Verrückte Wochen
Die einzigen ruhigen Minuten sind die Reisen… zum Glück habe ich davon zur Zeit mehr als genug! Gerade bin ich im Zug vom Münchner Flughafen zurück nach Nürnberg, natürlich mit etwas Verspätung. Die letzten Wochen fliegen nur so dahin und auch wenn ich den U23 Weltmeistertitel aus Pontevedra inzwischen verarbeitet habe, habe ich mich mit meiner Performance heute beim Weltcup in Rom wirklich selbst überrascht!
Es ist schon eine Weile her (Deutsche Meisterschaft in Düsseldorf Anfang Juli um genau zu sein) seitdem ich auf der Sprintdistanz unterwegs war. Die letzten Rennen waren alle olympisch und im Anforderungsprofil etwas unterschiedlich zu einem klassischen Sprintrennen. In der unmittelbaren Vorbereitung hatte ich daher noch eine kleine Speedeinheit im Laufen auf dem Programm, um auf die hohen Laufgeschwindigkeiten vorbereitet zu sein. Abgesehen davon, macht es aber im Prinzip kaum einen Unterschied, ob man 50 Minuten oder eine Stunde und 50 Minuten unterwegs ist. Im ITU Zirkus ist das Tempo von Anfang bis Ende einfach immer hoch und man hat kaum Zeit Fehler zu korrigieren.
Die Divise war also klar: “erstmal Dabeisein” meinte mein Coach Roland am Mittwoch im letzten Training in Nürnberg zu mir. Das bedeutet, schnell schwimmen, so schnell es geht die Lücke nach vorne am Rad schließen und anschließend die Rennsituation bewerten. Lohnt es sich am Rad viel Kraft zu investieren, oder reicht es aus, taktisch klug und Kräfte schonend zu fahren. Beim Laufen kann man sich dann sowieso nicht mehr verstecken… Im letzten Telefonat hat mir Roland auf jeden Fall noch einen guten Rat mit auf den Weg gegeben, der mir Selbstvertrauen für das bevorstehende Rennen gab. “Mach nicht den U23 Weltmeister, sondern den Simon Henseleit”, also sowas wie “vertrau auf deine Stärken und deine bisherigen Taktiken und spiel nicht den Helden”. Und genau das versuchte ich umzusetzen.
Ich hatte ein solides Schwimmen, stieg mit 15 Sekunden Rückstand aus dem Wasser und war nach knapp zwei Kilometern auf dem Rad an der Spitze des Rennens. Mit zwei kurzen Anstiegen, mehreren Kurven und zwei U-Turns pro Runde (insgesamt 5 Runden a 4km) hatte es der Kurs wirklich in sich und erforderte vollen Fokus. Ich merkte schnell, dass sich bei den vielen starken Radfahrern in der Gruppe, eine Hauruck-Aktion von Vorne nicht wirklich auszahlen würde und leistete meinen Teil zur Führungsarbeit, aber versuchte gleichzeitig viel Kraft und Energie zu sparen. Ich schaffte es gut, in den technisch schwierigen Phasen vorne Druck zu machen und mich aber immer wieder dazwischen zu erholen. Außerdem konnte ich meine Position gut verteidigen und wurde in der Gruppe nicht zu weit nach hinten gespült.
Das Einzige was heute nicht ganz perfekt lief war der zweite Wechsel. Beim Anziehen meines linken Schuhs verlor ich wertvolle Sekunden und obwohl ich als einer der Ersten vom Rad gestiegen war, lief ich nur als Zehnter auf die Laufstrecke. Ich merkte aber direkt, dass ich richtig gute Laufbeine hatte und arbeitete mich schnell an Position vier nach Vorne. An den Rest kann ich mich schon fast gar nicht mehr erinnern, weil alles so schnell ging. Ich ließ die Beine unter mir einfach laufen und auch wenn es immer härter wurde, hatte ich das Gefühl, in Kontrolle zu sein. Der Einzige, der etwa fünf Sekunden vor meiner Gruppe lief, war Vasco Vilaca und ich war mir sicher, dass der Sieg nur über ihn gehen würde.
Dahinter war aber alles offen. Am Ende der ersten von zwei Laufrunden hatte ich mich an Position zwei vorgearbeitet. Direkt hinter mir war der Däne Emil Holm und beim dritten von fünf Kilometern liefen noch der Franzose Tom Richard und der Belgier Arnaud Mengal zu uns auf. Ein Vierkampf also um die letzten zwei verbliebenen Medaillen! Als sich der letzte Kilometer näherte, musste ich wirklich kämpfen um den Anschluss zu halten, denn der Belgier forcierte das Tempo immer mehr und wir kamen sogar dem ersten Platz wieder greifbar nahe. Aus unserer vierköpfigen Gruppe konnte als erstes Emil Holm dem Tempo nicht mehr folgen, doch auch ich verlor etwas den Anschluss zu den beiden Jungs vor mir. Auf den letzten Metern gab es noch eine fiese Rampe vom See hoch Richtung Ziel und ich versuchte einfach nur die Schmerzen zu ignorieren und noch einmal alles zu mobilisieren. Und tatsächlich schloss ich die Lücke zum Franzosen wieder und sprintete in einem langen Zielsprint an ihm vorbei. Zwei Sekunden vor mir Arnaud Mengal und weitere zwei Sekunden davor Vasco Vilaca.
Mit meinem ersten Weltcup Podium hätte ich heute wirklich nicht gerechnet und bin umso glücklicher, dass ich es geschafft habe, diese Saison wieder einmal auf dem Podest zu stehen! Die Saison klingt ja auch so langsam aus, aber das war definitiv noch einmal ein Motivationsboost für die letzten beiden Rennen in Asien. Dort werde ich in zwei Wochen zunächst in Tongyeong (Südkorea) und eine Woche darauf in Miyazaki (Japan) an den Start gehen und die Saison abschließen.
Bis dahin tschau ;)
Ich gratuliere ganz herzlich zu der tollen Platzierung! Es war so spannend den Beitrag zu lesen.
Für die kommenden Rennen drücke ich die Daumen!